von Tina Winter, Martina Schenkewitz, Dr. Martin Albers, Carsten Gerloff (SPD), Martin Fischer, Ekkehart Wersich, Philipp Kroll, Stefan Baumann, Dr. Clarissa Bohlmann, Gunther Herwig, Ralf-Martin Diedrich, Dr. Andreas Schott, Katharina Schwarz, Dr. Julia Wickert (CDU), Claus-Joachim Dickow, Konstantin Bonfert (FDP)
Hamburg-Nord zeichnet sich durch eine vielfältige Stadtteilkultur aus. Die Förderung für Stadtteilkulturzentren, Geschichtswerkstätten und Projekte der Stadtteilkultur erfolgt über die Globalrichtlinie Stadtteilkultur 2024 – 2028 und die dazugehörige Förderrichtlinie. Die institutionelle Förderung ist an qualitative Kriterien geknüpft, deren Einhaltung die Antragsteller jährlich im Rahmen des vorgesehenen Antragswesens nachweisen müssen.
Die Globalrichtlinie sieht unter Punkt 5 zur Sicherung der Qualitäts- und Bedarfsentwicklung das folgende vor:
„Für die fachlichen Planungen sowie die Weiterentwicklung der Förderung der Stadtteilkultur sind die Bezirksämter angehalten, regelmäßige (empfohlen 3-5 Jahre) bezirkliche Planungsprozesse durchzuführen. Art und Umfang der Prozesse legen die Bezirksämter fest. Dabei soll grundsätzlich gelten: Diese Planungsprozesse sollen die quantitative und qualitative Bedarfs- und Angebotslage betrachten und darauf aufbauend Handlungsbedarfe ableiten und ggf. Maßnahmen formulieren. Die Planung enthält zudem Aussagen zu fachlichen und sozialräumlichen Prioritätssetzungen.“
Die auf der Globalrichtlinie aufbauende Förderrichtlinie ergänzt diese Planung und Potentialerfassung unter ihrem Punkt 6 wie folgt:
„Die Bezirksämter sind gehalten, ihre Sicht auf stadtteilkulturelle Entwicklungspotentiale als einen fortlaufenden Planungsprozess auf Bezirksebene gem. Nr. 5 der Globalrichtlinie Stadtteilkultur zu initiieren und dessen Ergebnisse zu veröffentlichen. Planung wird als ein seitens der Bezirksämter und der bezirklichen Gremien zu führender Dialog verstanden, in den alle relevanten – auch nachwachsenden – Einrichtungen und Projekte auf Bezirksebene einzubinden sind. Dieser Dialog wird seitens der Bezirksämter so angelegt, dass sowohl auf Seiten des Bezirks als auch auf Seiten der Einrichtungen/Projekte Entwicklungspotenziale/Bedarfe identifiziert werden können. Die geförderten Einrichtungen werden aufgefordert, daran teilzunehmen.“
Hinsichtlich des Berichtswesens und der frühzeitigen Information über Veränderungen hält die Globalrichtlinie unter Punkt 6 fest:
„Beabsichtigen ein Bezirksamt oder eine Bezirksversammlung, eine Einrichtung in die laufende Förderung neu aufzunehmen, die laufende Förderung einer Einrichtung zu beenden oder die Einzelansätze zwischen den Einrichtungen deutlich zu verschieben, setzt das zuständige Bezirksamt die Fachbehörde hiervon rechtzeitig in Kenntnis und gibt ihr vor der Befassung im zuständigen Ausschuss der Bezirksversammlung Gelegenheit, schriftlich, binnen eines Monats, Stellung zu nehmen und diese Stellungnahme dem Fachausschuss zuzuleiten, bevor sich die Bezirksversammlung hiermit befasst. Die Fachbehörde wird zeitnah über die jeweiligen Beschlüsse der Bezirksversammlung informiert.“
Die Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. nimmt derzeit die Aufgaben einer Geschichtswerkstatt im Stadtteil Fuhlsbüttel wahr und profitiert insofern von der institutionellen Förderung. Unbenommen ist das Engagement der Gesellschaft für den Erhalt der und das Engagement für die Zwangsarbeiterbaracken am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel und die dort präsentierte Dauerausstellung.
Darüber hinaus ist es aber auch Aufgabe einer lokal verankerten Geschichtswerkstatt in einem stadtteilorientierten breit gefächerten Themenspektrum das Gedächtnis eines Stadtteils in Gänze zu wahren und aufzuarbeiten. Sie arbeiten an der Erforschung der Stadtteilgeschichte mit den Schwerpunkten Alltags- und Geschlechtergeschichte. Dabei sind lebensgeschichtliche Interviews die bevorzugte Forschungsmethode. Rundgänge, Veranstaltungen, Ausstellungen und Publikationen sowie Serviceleistungen vor Ort runden das Angebot ab (sh. Globalrichtlinie Punkt 4.2). Die Zukunftsfestigkeit einer Geschichtswerkstatt durch entsprechende Nachwuchsarbeit soll ebenfalls abgesichert werden.
Mit Blick auf diese Kriterien ist es geboten, die Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. in einen kritischen Blick zu nehmen, der darauf zielt, die derzeitigen Strukturen für die Zukunft weiterzuentwickeln und die Arbeit im Vergleich zum derzeitigen Arbeitsspektrum deutlich breiter und stadtteilorientierter aufzustellen.
Hinzu kommt, dass die Benennung nach einer Person der Zeitgeschichte in Hamburg einmalig ist, eine besondere Vergangenheit hat und im vorliegenden Fall wegen der Entstehungsgeschichte der Gesellschaft als Nachlassverwaltung des literarischen Schaffens Bredels juristisch nicht unproblematisch ist. Der Namensgeber selbst war unter anderem wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD für 13 Monate in Haft (11 davon in Einzelhaft) im damaligen Konzentrationslager Fuhlsbüttel und wurde dort gedemütigt und schwer misshandelt. Nach dieser Haft gelang ihm im Jahr 1934 die Flucht aus Deutschland über Prag nach Moskau. Es folgte ein Leben zwischen Moskau, einer Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg und wieder Moskau. Schließlich gehörte er zu den ersten Kadern, die nach dem Krieg in die Sowjetische Zone gelangten, aus der später die DDR wurde. Sein Wirken zwischen Schriftstellertum und parteipolitischer Arbeit für die SED, unter anderem im Zentralkomitee der DDR mit führenden Aufgaben insbesondere im Bereich der politisch gesteuerten Kunst (hier: Literatur), ist bislang wissenschaftlich, historisch-kritisch kontextualisiert nicht aufgearbeitet. Da dieses Leben im Zeichen der zweiten Diktatur auf deutschen Boden geführt wurde, erscheint es dringend geboten, das Wirken der Person der Zeitgeschichte Willi Bredel wissenschaftlich und kritisch aufzuarbeiten, wenn damit institutionalisierte staatliche Förderungen verbunden sind. Alternativ ist zu prüfen, wie die Gesellschaft, deren zivilrechtliche und private Aufgabe es im Kern ist, das literarische Werk von Willi Bredel zu verwalten, juristisch von der in Fuhlsbüttel notwendigen und gewünschten Geschichtswerkstatt entflochten und eine eigenständige Institution mit den Aufgaben einer Geschichtswerkstatt etabliert werden kann.
Bei diesem Prozess sind alle in der Globalrichtlinie Stadtteilkultur und in der Förderrichtlinie skizzierten Prozesse und Vorgaben einzuhalten.
Petitum:
- Das Bezirksamt möge im Rahmen des dafür in der Globalrichtlinie vorgesehenen Verfahrens einen Prozess starten, der darauf hinwirkt, die derzeitige Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. strukturell und zukunftsorientiert mit Blick auf die Aufgaben einer Geschichtswerkstatt und die damit verbundenen Vorgaben der Förderrichtlinie Stadtteilkultur weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang sollen auch die Voraussetzungen für eine Entflechtung der Gesellschaft von den Aufgaben einer Geschichtswerkstatt geprüft und ggf. die Voraussetzungen einer Neugründung einer Geschichtswerkstatt Fuhlsbüttel aufgezeigt werden. Die ergebnisorientierte Durchführung dieses Prozesses ist Grundvoraussetzung für zukünftige denkbare Förderung als Geschichtswerkstatt.
- Das Bezirksamt möge zudem unterstützt durch Vertreter der Bezirksversammlung gemeinsam mit der Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt Fuhlsbüttel e.V. einen Weg verabreden, der in die wissenschaftliche und historisch kontextualisierte Aufarbeitung des Wirkens Willi Bredels mit Schwerpunkt in der ehemaligen DDR mündet, wenn beabsichtigt ist, für 2027 weiterhin eine Förderung aus den Mitteln zu erhalten.
- Das Bezirksamt möge zudem gemeinsam mit der zuständigen Fachbehörde eruieren, inwiefern und welchem Umfang die Gedenkarbeit in den Zwangsarbeiterbaracken am Flughafen Fuhlsbüttel in diesem Kontext einer spezifischen Absicherung bedarf.
- Mit Blick auf die prozessualen Vorgaben der Globalrichtlinie Stadtteilkultur ist der Bezirksversammlung spätestens bis zum 31. August 2026 über die Ergebnisse der gewünschten Befassung zu berichten. Über die Bereitschaft, den Namen Willi Bredel im gewünschten Kontext aufzuarbeiten ist spätestens zum 31. März 2026 zu berichten.
